Zentrale Aspekte des Gesetzesentwurfs
Nach derzeitiger Rechtslage können Straftaten, die aus Verbänden (juristische Personen und Personenvereinigungen) heraus begangen werden, gegenüber dem Verband lediglich mit einer Geldbuße nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) auf Grundlage des § 30 OWiG geahndet werden.

Nach aktuellem Stand des Gesetzesentwurfes soll § 3 VerSanG die bisherige Funktion des § 30 OWiG bei einer als „Verbandstat“ bezeichneten Straftat übernehmen. § 3 VerSanG ordnet die Verhängung von Verbandssanktionen an, wenn
- eine Leitungsperson des Verbandes eine Verbandstat begangen hat (Abs. 1 Nr. 1) oder
- jemand sonst in Wahrnehmung der Angelegenheit des Verbandes eine Verbandstat begangen hat und Leitungspersonen diese Straftat durch angemessene Vorkehrungen wie insbesondere die Organisation, Auswahl, Anleitung und Aufsicht hätten verhindern oder wesentlich erschweren können (Abs. 1 Nr. 2).
Dabei soll eine objektive Pflichtwidrigkeit des Unterlassens etwaiger Vorkehrungen bei objektiv erkennbar geschaffener Gefahr genügen, sofern die „Nicht-Leitungsperson“ volldeliktisch eine Verbandstat begangen hat. Auf ein vorsätzliches oder zumindest fahrlässiges Unterlassen von Aufsichtsmaßnahmen kommt es – anders als bei einer Bußgeldverhängung nach dem OWiG – hier gerade nicht mehr an.
Ausweislich der Formulierung des § 3 VerSanG („wird eine Verbandssanktion verhängt“) findet das Legalitätsprinzip Anwendung. Dementsprechend wird ein Verfolgungszwang für die Behörden gegen das Unternehmen als solches bestehen, sobald ein Anfangsverdacht für eine aus einem Unternehmen heraus begangene Straftat zu bejahen ist. Bislang gilt dieser Verfolgungszwang in solchen Konstellationen lediglich in Bezug auf den mutmaßlichen Straftäter.
Daneben sind die Vorschriften der Strafprozessordnung über den Beschuldigten entsprechend anwendbar (vgl. § 27 VerSanG). Damit wird der Verband ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung prozessual dem Beschuldigten gleichgestellt und hat dementsprechende auch die jeweiligen Rechte.
Als einen der zentralen Aspekte sieht der Gesetzesentwurf eine ganz erhebliche Erhöhung des bisher für Unternehmen geltenden Sanktionsrahmens vor. So können nach § 9 Abs. 1 VerSanG zunächst Geldbußen bis zu 10 Mio. Euro verhängt werden; für Unternehmen mit einem Konzernumsatz von mehr als 100 Mio. Euro weist der Gesetzesentwurf sogar eine Obergrenze von 10 % des Jahresumsatzes aus.
Bei einer Schädigung einer großen Anzahl von Personen kann als Nebenfolge auch die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung angeordnet werden.
Sanktionsbemessung und die zentrale Rolle unternehmensinterner Untersuchungen
Für die Sanktionsbemessung sieht § 15 VerSanG eine Vielzahl von verbandsspezifischen Zumessungskriterien vor. Der auf politischer Ebene geäußerte Wille, Anreize für rechtstreues Verhalten der Unternehmen zu bieten, wird dabei durch § 15 Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 15 Abs. 3 Nr. 6 VerSanG erkennbar – so setzen hier u. a. die Schwere und das Ausmaß des Unterlassens angemessener Vorkehrungen zur Vermeidung bzw. Aufdeckung von Verbandstaten die Maßstäbe.
Eine ganz wesentliche Rolle bei der Bestimmung einer etwaigen Sanktionshöhe spielt gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 7 VerSanG „das Bemühen des Verbandes, die Verbandstat aufzudecken“; insbesondere die internen Untersuchungen erhalten in den §§ 16, 17 VerSanG eine weitere Konkretisierung.
Erfüllt die Durchführung verbandsinterner Untersuchungen kumulativ die dort aufgestellten sowie zu dokumentierenden Bedingungen, ist sie zwangsläufig mit einer Sanktionsmilderung verbunden und damit zugleich die Anordnung der öffentlichen Bekanntmachung ausgeschlossen. So erfährt der Verband eine Herabsetzung des Sanktionsrahmens um die Hälfte sowie einen Wegfall des Mindestmaßes (vgl. § 18 VerSanG), wenn
- der Verband oder der von ihm beauftragte Dritte wesentlich zur Aufklärung der Verbandstat beigetragen haben (Abs. 1 Nr. 1),
- es sich bei den beauftragten Dritten nicht um die Verteidiger des Verbandes oder eines Beschuldigten handelt (Abs. 1 Nr. 2),
- der Verband oder der von ihm beauftragte Dritte ununterbrochen und uneingeschränkt mit den Verfolgungsbehörden zusammenarbeiten (Abs. 1 Nr. 3),
- das Ergebnis der internen Untersuchung (Abschlussbericht und wesentliche Dokumente) den Verfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt (Abs. 1 Nr. 4) und
- die verbandsinterne Untersuchung unter Beachtung der Grundsätze eines fairen Verfahrens, die sodann näher definiert werden, durchgeführt wurde (Abs. 1 Nr. 5).
Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt eine Milderung nur in Betracht, sofern die Aufarbeitungsleistung des Unternehmens tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beiträgt. Dementsprechend wird schließlich klargestellt, dass die Ergebnisse der verbandsinternen Untersuchung vor Eröffnung des Hauptverfahrens offengelegt werden müssen.
Zugleich gewinnen Compliance-Maßnahmen erheblich an Bedeutung. Verbände dürfen auf eine Strafmilderung hoffen, wenn sie Compliance-Vorkehrungen implementiert haben.
Hierzu wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klargestellt, dass bei kleinen und mittleren Unternehmen mit geringem Risiko von Rechtsverletzungen schon wenige, einfache Maßnahmen ausreichend sein können und der „Zukauf“ eines Compliance-Programms oder von Zertifizierungen insoweit regelmäßig nicht erforderlich ist.
Fazit
Mit Blick auf das anstehende Gesetzesvorhaben und die bereits heute auf Seiten der Behörden vermehrt festzustellende Tendenz, Unternehmen in den Fokus strafrechtlicher Ermittlungen zu nehmen, ist es für Mittelstand folglich dringend geboten, zumindest grundlegende Compliance-Strukturen einzuführen.
Welche Maßnahmen und Vorkehrungen für die jeweiligen Unternehmen erforderlich sind, muss einzelfallbezogen geprüft werden.
Hierzu ist einem ersten Schritt eine Risikoanalyse durchzuführen, um herauszuarbeiten, welche Lücken in der Compliance-Organisation des Unternehmens gegebenenfalls vorhanden sind.
Sehr gerne unterstützen wir Sie dabei.